Adenokarzinom Kolon/Rektum | |
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Last Update: 06.10.2024 | |
Klassifikation | |
ICD10: | C18 (Kolon), C19 (Rektosigmoid), C20 (Rektum) |
ICD-O: | 8140/3 (Adenokarzinom) |
Kategorie: | Neoplasie, maligne |
Histolog. Typ: | Adenokarzinom |
Immunphänotyp (typ.) |
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CK20: + (90%) | CK7: - (negativ) |
Mutationen | |
KRAS: häufig | NRAS: selten |
TP53: häufig | APC: häufig |
Altersverteilung | |
Lebensalter
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Links |
Adenokarzinom des Kolons/Rektums
Allgemeines:
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Häufigste maligne Neoplasie des Kolons und Rektums
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In westlichen Ländern einer der häufigsten malignen Tumoren
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Metastasiert häufig in Leber, Lunge und Peritoneum
Klinik:
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Symptome: Blut im Stuhl, veränderte Stuhlgewohnheiten, Gewichtsverlust
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Obstruktion, Perforation bei fortgeschrittenen Fällen
Epidemiologie:
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Kolorektale Karzinome sind die dritthäufigste Krebsart weltweit und die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache. Inzidenz und Mortalität variieren je nach geografischer Region, wobei industrialisierte Länder tendenziell eine höhere Inzidenz aufweisen.
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Die Inzidenz steigt mit dem Alter: Das Risiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms steigt ab dem 50. Lebensjahr signifikant an, wobei der Häufigkeitsgipfel zwischen 60 und 70 Jahren liegt.
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Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen, mit einem Verhältnis von etwa 1,4:1.
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Risikofaktoren:
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Alter: Das Risiko für kolorektale Karzinome steigt ab dem 50. Lebensjahr deutlich an.
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Genetische Prädisposition: Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP), Lynch-Syndrom (hereditäres nicht-polypöses Kolonkarzinom, HNPCC) und andere genetische Syndrome erhöhen das Risiko erheblich. Träger des Lynch-Syndroms haben ein bis zu 80%iges Lebenszeitrisiko.
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Positive Familienanamnese: Menschen mit Verwandten ersten Grades, die an kolorektalem Karzinom erkrankt sind, haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko.
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Ernährung: Eine ballaststoffarme, fettreiche Ernährung, insbesondere mit hohem Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch, ist mit einem höheren Risiko verbunden. Eine Ernährung mit hohem Anteil an Obst, Gemüse und Ballaststoffen wirkt dagegen protektiv.
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Lebensstil: Körperliche Inaktivität, Übergewicht und Adipositas erhöhen das Risiko. Übergewichtige Menschen haben ein um 30-40% höheres Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken.
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Rauchen: Langjähriges Rauchen erhöht das Risiko für kolorektale Karzinome, insbesondere für Tumoren im distalen Kolon und Rektum.
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Alkoholkonsum: Regelmäßiger und übermäßiger Alkoholkonsum, insbesondere von Bier und Spirituosen, ist mit einem erhöhten Risiko verbunden. Bereits moderate Mengen können das Risiko leicht erhöhen.
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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Patienten mit Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn haben ein signifikant erhöhtes Risiko, insbesondere bei langjährigem Krankheitsverlauf. Das Risiko korreliert mit dem Schweregrad und der Dauer der Entzündung.
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Diabetes mellitus Typ 2: Personen mit Diabetes haben ein etwa 30% höheres Risiko für kolorektale Karzinome, vermutlich aufgrund von Insulinresistenz und Hyperinsulinämie.
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Strahlentherapie im Beckenbereich: Eine vorherige Strahlentherapie, insbesondere bei gynäkologischen oder urologischen Malignomen, kann das Risiko für kolorektale Karzinome erhöhen.
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Protektive Faktoren: Regelmäßige körperliche Aktivität, ballaststoffreiche Ernährung, Einnahme von Aspirin oder nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) sind protektive Faktoren, die das Risiko für kolorektale Karzinome senken können.
Pathogenese:
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Mutation in Tumorsuppressorgenen wie APC (ca. 80% der Fälle). Diese Mutation ist häufig der erste Schritt in der Adenom-Karzinom-Sequenz.
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Mutationen in KRAS (ca. 40% der Fälle) folgen oft der APC-Mutation und führen zu unkontrolliertem Zellwachstum.
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Mutationen in TP53 (ca. 50% der Fälle) treten typischerweise in späten Phasen der Tumorentwicklung auf und sind mit der Progression zu invasiven Karzinomen assoziiert.
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Aktivierung von Onkogenen wie BRAF (ca. 10-15% der Fälle), insbesondere bei sporadischen Kolonkarzinomen, die durch Mikrosatelliteninstabilität (MSI) entstehen.
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Mikrosatelliteninstabilität (MSI) in etwa 15% der Kolonkarzinome, häufig aufgrund von Defekten im DNA-Reparatursystem (Mismatch-Reparatur), wie beim Lynch-Syndrom.
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Lynch-Syndrom (hereditäres nicht-polypöses Kolonkarzinom, HNPCC): Eine erbliche Mutation in Mismatch-Reparaturgenen (z.B. MLH1, MSH2, MSH6, PMS2) führt zu Mikrosatelliteninstabilität und erhöhtem Risiko für Kolonkarzinome (Lebenszeitrisiko von bis zu 80%).
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Adenom-Karzinom-Sequenz: Diese beschreibt den sequentiellen Prozess, bei dem normale Kolonepithelzellen zunächst in ein Adenom (gutartige Drüsenneoplasie) und dann in ein invasives Adenokarzinom übergehen. Dies beginnt meist mit einer Mutation im APC-Gen, gefolgt von weiteren Mutationen in KRAS, TP53 und anderen Genen. Diese schrittweisen genetischen Veränderungen fördern die Progression von Dysplasie (abnorme Zellentwicklung) hin zu invasivem Krebs.
Makroskopie:
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Makroskopisch kann das Adenokarzinom des Kolons/Rektums in verschiedene Typen eingeteilt werden:
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Polypoider Typ: Gut abgrenzbarer, exophytischer, pilzförmiger oder blumenkohlartiger Tumor, der in das Darmlumen hineinwächst. Dieser Typ ist oft bei früh diagnostizierten Tumoren zu sehen und zeigt eine relativ geringe Invasivität.
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Ulzerierender Typ: Tumor mit zentraler Ulzeration, die das Gewebe zerstört. Dieser Typ kann fortgeschrittene Tumoren mit tiefer Invasion repräsentieren und neigt dazu, größere Teile der Darmwand zu durchdringen.
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Infiltrierender Typ: Diffus infiltrierendes Wachstum, das die Darmwand durchsetzt, oft schwer abgrenzbar. Dieser Tumortyp ist mit einer aggressiveren Invasion und schlechterer Prognose assoziiert.
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Skirrhöses Karzinom: Harte, fibrotische Tumoren mit starkem bindegewebigem Stroma, was sie oft schwer tastbar macht. Diese Form ist oft bei fortgeschrittenen und schlecht differenzierten Tumoren zu finden.
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Tumorgröße variiert erheblich, wobei Tumoren >5 cm bei der Diagnose häufig sind. Fortgeschrittene Tumoren neigen dazu, in benachbarte Strukturen wie die Serosa und angrenzende Organe einzudringen.
Mikroskopie:
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Kolorektale Adenokarzinome zeigen eine große histologische Variabilität. Der typische histologische Typ ist das drüsige Wachstumsmuster mit unterschiedlichem Differenzierungsgrad:
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Gut differenzierte Adenokarzinome: Drüsenstrukturen sind gut geformt, Tumorzellen sind relativ einheitlich und ordnen sich in klar definierte tubuläre oder kribriforme Strukturen. Die Zellkerne sind oval, hyperchromatisch und zeigen eine moderate Pleomorphie.
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Mäßig differenzierte Adenokarzinome: Die Drüsenstrukturen sind weniger regelmäßig, oft mit festerem Wachstum. Es besteht eine höhere Kernpleomorphie und es sind häufiger Mitosefiguren zu sehen. Diese Tumoren sind aggressiver als gut differenzierte Karzinome.
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Schlecht differenzierte Adenokarzinome: Es gibt wenig bis keine drüsige Differenzierung. Die Tumorzellen wachsen diffus und infiltrativ, häufig in soliden Nestern oder Strängen. Eine hohe Kernpleomorphie, zahlreiche Mitosefiguren und Nekrosen sind typisch. Diese Tumoren haben eine schlechtere Prognose.
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Spezielle histologische Subtypen:
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Muzinöses Adenokarzinom: Definiert durch einen hohen Anteil an extrazellulärem Mucin (>50% des Tumors). Diese Tumoren neigen dazu, diffus zu wachsen und haben oft eine schlechtere Prognose. Muzinöses Material umgibt die Tumorzellen, was zur Ausbildung von Schleimseen führt.
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Siegelringzelliges Adenokarzinom: Charakterisiert durch das Vorhandensein von Zellen mit mucingefülltem Zytoplasma, das den Zellkern an den Rand drückt (sogenannte Siegelringzellen). Dieser Subtyp ist sehr aggressiv und hat eine schlechte Prognose. Oft ist eine diffuse Infiltration zu beobachten, die zu einer „Linitis plastica“-ähnlichen Ausbreitung führt.
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Medulläres Karzinom: Seltene, meist solide wachsende Tumoren mit wenig stromaler Reaktion. Sie zeigen oft eine Mikrosatelliteninstabilität und haben trotz ihrer geringen Differenzierung eine etwas bessere Prognose als andere Subtypen.
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Kribriformes Karzinom: Diese Tumoren weisen ein Wachstum in kribriformen Strukturen auf, ähnlich wie bei glandulären Tumoren. Sie können in fortgeschrittenen Fällen aggressiv sein.
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In vielen Fällen zeigen die Zellen ein vergrößertes, hyperchromatisches und pleomorphes Kernbild mit prominenten Nukleoli. Die Zellen können eine basale Polarität verlieren, und die Mitosefiguren sind häufiger in schlecht differenzierten Karzinomen zu finden.
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Eine zytoarchitektonische Besonderheit vieler kolorektaler Adenokarzinome ist die häufige Produktion von Mucin, welches innerhalb der Tumorzellen akkumuliert und extrazellulär als Schleimseen vorkommen kann.
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Die Invasion in die Submukosa, Muscularis propria und darüber hinaus in die Serosa und benachbarte Strukturen ist typisch für fortgeschrittene Tumoren.
Grading nach WHO:
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G1 (gut differenziert): Tumoren mit gut erkennbaren drüsigen Strukturen und geringer Zellpleomorphie. Wenige Mitosefiguren, Tumoren wachsen meist langsam.
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G2 (mäßig differenziert): Tumoren mit weniger regelmäßigen Drüsenstrukturen und mäßiger Zellpleomorphie. Es sind mehr Mitosefiguren und ein schnelleres Wachstum zu beobachten.
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G3 (schlecht differenziert): Tumoren ohne klare drüsige Differenzierung. Die Zellen sind stark pleomorph, zeigen zahlreiche Mitosefiguren und neigen zu aggressivem, invasivem Wachstum.
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G4 (undifferenziert): Tumoren ohne erkennbare Differenzierung, oft mit diffusen Wachstumsmustern. Diese Tumoren sind sehr aggressiv und haben eine schlechte Prognose.
TNM/Stadien:
Die TNM-Klassifikation ist das am häufigsten verwendete System zur Beschreibung der Tumorausbreitung bei kolorektalen Karzinomen. Es klassifiziert den Primärtumor (T), die regionalen Lymphknoten (N) und Fernmetastasen (M). Die aktuelle TNM-Klassifikation basiert auf der 8. Ausgabe der AJCC (American Joint Committee on Cancer).
Kategorie | Definition |
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T – Primärtumor |
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N – Regionale Lymphknoten |
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M – Fernmetastasen |
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Stadien-Einteilung (AJCC 8. Edition):
Die Kombination der TNM-Klassifikation ermöglicht die Einteilung in klinische Stadien, die die Prognose und das therapeutische Vorgehen bestimmen:
Stadium | T | N | M |
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Stadium 0 | Tis | N0 | M0 |
Stadium I | T1-T2 | N0 | M0 |
Stadium IIA | T3 | N0 | M0 |
Stadium IIB | T4a | N0 | M0 |
Stadium IIC | T4b | N0 | M0 |
Stadium IIIA | T1-T2 | N1-N1c | M0 |
Stadium IIIB | T3-T4a | N1-N1c | M0 |
Stadium IIIC | T4a-T4b | N2 | M0 |
Stadium IVA | Beliebig | Beliebig | M1a |
Stadium IVB | Beliebig | Beliebig | M1b |
Diese TNM-Klassifikation und die Stadieneinteilung sind essenziell für die Prognoseeinschätzung und die Therapieplanung bei Patienten mit kolorektalen Karzinomen. Tumoren im Stadium IV weisen beispielsweise eine deutlich schlechtere Prognose auf, da sie Fernmetastasen haben, während Tumoren im Stadium I durch eine operative Resektion kurativ behandelt werden können.
Zytologie:
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Große, atypische Zellen mit prominenten Nukleoli
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Viel Mucinproduktion, bei bestimmten Subtypen
Immunhistochemie:
Molekularpathologie:
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KRAS Mutationen bei etwa 40% der Fälle
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BRAF Mutationen bei etwa 10% der Fälle
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Mismatch-Reparatur-Defekte (MSI) bei 15% der Fälle
Differentialdiagnosen:
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Metastasen eines Adenokarzinoms anderer Lokalisationen (z.B. Pankreas, Magen) (Immunhistochemie: CK7+/CK20-, CDX2 negativ)
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Neuroendokrine Tumoren (Immunhistochemie: Chromogranin A+, Synaptophysin+, CK20-)
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Primäres peritoneales Karzinom (Immunhistochemie: CK7+/CK20-, WT1+)
Sonstiges:
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Targeted Therapy wichtig bei KRAS, NRAS und BRAF Mutationen
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Immuntherapie vielversprechend bei MSI-H Tumoren
Externe Links:
Patho-Pic {fa-share-square-o }
Quellen & weiterführende Literatur:
Weiterführende Literatur: